Fastenzeit: was bedeutet das eigentlich für uns? Mit dieser Frage haben wir – die Teilnehmer*innen des wöchentlichen Jugendabends – uns im Vorbeginn ebendieser Zeit auseinandergesetzt. Sollte das Fasten etwa, wie ursprünglich bei den Katholiken praktiziert, dazu dienen, Seelenheil und Gottgefälligkeit zu erlangen? Das erschien uns jedenfalls etwas archaisch und realitätsfern. Ebenso wenig aber erschien es uns als stumpfes Ritual ohne Mehrwert. Nein, für uns war klar: das Fasten ist nützlich und weitaus praktischer verankert als ein starres Kirchendogma. Nur wenige Menschen fasten heutzutage noch, weil es ihnen vorgeschrieben und aufoktroyiert wird, oder weil sie sich ihrer Sünden durch Buße entledigen wollen. Viel öfter ist die Motivation, sich selbst bessern zu wollen, eigene Grenzen auszutesten, und, schlussendlich, durch Überwindung dieser selbstauferlegten Hürden, Glückseligkeit zu erreichen. Der Verzicht wird zum Versuch, die Abstinenz zur Absicht, die Enthaltsamkeit zum Entschluss: Versuch, Absicht und Entschluss, alltäglichen Luxus zu entsagen, um eigene Ziele direkter verfolgen zu können. Fasten ist also häufig an konkrete und persönliche Ziele gebunden. Wer gesünder leben will, fastet Süßes; wer umweltbewusster agieren möchte Fleisch oder gar Plastik; wer aufrichtiger sein möchte möglicherweise das Lügen.

            Diese Erkenntnis stellte uns direkt vor eine neue Frage. Was sind die Hürden in unserem Leben? Welche Blockaden blockieren, welche Schranken beschränken uns? Zusammen konnten wir eine Vielzahl persönlicher Baustellen zusammentragen. Gerade aufgrund der derzeitigen Ausnahmesituation hatten sich viele Probleme verschärft und vervielfältigt. Einsamkeit, Mangel körperlicher Betätigung, Konzentrationsprobleme, Pessimismus, Angespanntheit, … Die Liste war lang und mannigfaltig.

            Doch nicht all diese Probleme lassen sich alleine durch Verzicht angehen. Wessen sollte man entsagen, um weniger einsam zu sein? Wovon muss man absehen, um sich zu entspannen? Welche Tätigkeit muss man unterlassen, um körperlich aktiver zu sein? Verzicht, so viel war klar, konnte nicht die alleinige Antwort sein. Es bedurfte eines proaktiven Ansatzes. Wer sich bedrückt fühlt durch Mangelzustände, kann dieser Situation nicht durch mehr Verzicht und Enthaltsamkeit entkommen.

            Unsere Antwort auf die Problematik, unsere Alltagsblockaden abbauen und gleichzeitig die Fastenzeit gemeinsam durchleben zu wollen, war schlussendlich solch ein proaktiver Ansatz. Gemeinsam überlegten wir, welche konkreten Tätigkeiten, aber auch Untätigkeiten, uns bei unseren Problemen helfen könnten. Abermals entstand eine Liste. Diesmal war sie jedoch nicht mit Schwermut und Weh, sondern mit Hoffnung und Optimismus gespickt.

            Das Ergebnis war eine kurze „To-Do-Liste“ mit unterschiedlichen kleineren und größeren Herausforderungen. Mit Aufgaben, wie „kurz nach draußen gehen“, „etwas lesen“, „nur Wasser trinken“, „etwas neues lernen“, „neue Kochrezepte ausprobieren“ und vielen weiteren, wollen wir uns nun durch die Fastenzeit kämpfen. Dabei sucht sich jeder von uns eine Aufgabe aus, die dann konsequent über eine Woche hinweg, Tag für Tag, verfolgt wird. Am Ende der Woche besprechen wir unseren Erfolg und dürfen uns eine neue Aufgabe aussuchen. Auf diese Weise können wir gemeinsam und doch individuell an unseren ganz eigenen Baustellen arbeiten. Wir erhoffen uns, auf diese Weise unsere Alltagsblockaden Stück für Stück beseitigen zu können, angetrieben durch eigene, intrinsische Motivation und angespornt und inspiriert durch die Erfolge der anderen Teilnehmer*innen. Wie dieses Vorhaben ausgehen wird, werden wir erst am Ende der Fastenzeit rückblickend eruieren können, aber die ersten Tage verliefen bereits vielversprechend… [Fortsetzung folgt]

Marc Wojtko

Der Jugendabend findet immer dienstags ab 19.30 Uhr für Jugendliche ab 14 Jahren und junge Erwachsene (im Moment digital) statt. Alle weiteren Infos zu den Angeboten im Kinder- und Jugendbereich findet ihr hier. Kommt gerne dazu :)